Pfarrer Dr. Lic. Curt Kuhl

Als mit dem Tode Hermann Freiers im Dezember 1927 das Frohnauer Pfarramt neu zu besetzen war, bewarb sich Curt Kuhl um die Stelle und wurde im Juni 1928 unter fünf Bewer­bern zum Nachfolger des Verstorbenen gewählt. Den Aus­schlag gab seine Belesenheit und fundierte Bildung. Außerdem  galt er als tatkräftig und modern. Im Oktober 1928 führten ihn Superintendent Beier und Pfarrer Posth in sein Amt ein. Zu Beginn seiner Amtszeit in Frohnau bereicherte und förderte Kuhl das Gemeindeleben. Von Ostern 1929 bis Februar 1934 gab er das „Frohnauer Kirchenblatt“ heraus, das nicht nur An­dachten und Mitteilungen enthielt, sondern auch eine Art Kulturforum sein sollte.

Curt Kuhl war am 28. Dezember 1890 in Grau­denz/Westpreußen auf der Feste Courbière geboren worden. Sein Vater, Karl Kuhl, war Verwaltungsdirektor der dortigen Garnison. Kuhl ging zunächst in Stettin (Friedrich-Wilhelm-Gymnasium), dann in Berlin (Lessing-Gymnasium) und schließlich in Bromberg (Königliches Gymnasium) zur Schule, wo er 1909 das Abitur bestand. Es folgte ein Theologiestu­dium, das er in Breslau, Bonn und Halle absolvierte. Im Jahre 1913 legte er in Breslau seine erste theologische Prüfung ab und wurde Vikar in der oberschlesischen Stadt Pleß. Im Ersten Weltkrieg war er Reserveoffizier und diente als Kompanieführer in einem Pionierbataillon. Noch während des Krieges pro­movierte er im Dezember 1917 zum Dr. phil. an der philoso­phischen Fakultät der Universität Tübingen. Der Titel seiner Dissertation lautete: „Die literarische Einheit des Buches Eze­chiel“.

Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er als Vikar in den schle­sischen Städten Golkowitz und Peterwitz. Seine zweite theolo­gische Prüfung bestand Kuhl im Juni 1919 in Breslau, wo er am 30. Oktober 1919 ordiniert wurde. Daraufhin erhielt er in der schlesischen Stadt Schlawa die Stelle eines Pfarrverwalters und 1921 die des Pfarrers. Am 11. Januar 1921 heiratete er Kläre Drabek, die Tochter des Kirchenrates Friedrich Drabek. Im Jahre 1924 wechselte er ins thüringische Suhl, wo er Pastor an der dortigen Kreuzkirche wurde.

Bevor er nach Frohnau kam, nahm Kuhl  1927 am 16. Lehr­kurs des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswis­senschaft des Heiligen Landes (DEI) teil, einer Institution, die im Jahre 1900 auf Beschluss der Evangelischen Landeskirchen gegründet worden war. Das Ergebnis dieser Forschungsreise war eine theologische Dissertationsschrift mit dem Titel: „Die drei Männer im Feuer. Daniel, Kapitel 3 und seine Zusätze. Ein Beitrag zur israelisch-jüdischen Kulturgeschichte“. Mit die­ser Schrift, die 1933 in der Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft erschien, promovierte Curt Kuhl an der Univer­sität Halle zum Lic. theol. (Lizentiat der Theologie).

In Frohnau war ihm, wie gesagt, die Herausgabe des Frohnauer Kirchenblattes ein wichtiges Anliegen. Bereits in der ersten Ausgabe mahnte er den Bau einer Kirche für die ständig steigende Zahl der Frohnauer Einwoh­ner an, für die die „Notkirche“ in der Lichtensteinallee (heute Senheimer Straße) nicht mehr ausreichte. Er schrieb: „Mag zurzeit unser Gotteshaus für die Gottesdienste und Amtshandlungen voll ausreichen, so ist doch mit einer Weiterentwicklung und ei­nem Bevölkerungszuwachs Frohnaus als mit etwas Selbst­verständlichem zu rechnen. Dann wird über kurz oder lang die Frage nach einem Kirchenneubau an Stelle unserer jetzigen Notkirche brennend werden.“

Gegen Ende des Jahres 1928 hatte die Gemeinde das Grundstück, auf dem die heutige Johanneskirche steht, vom Generaldirektor der Versicherungsgesellschaft „Herold“, Herbert Worch, erworben. Im September 1930 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, von dem man sich geeignete Vor­entwürfe versprach. Ein Preisgericht aus Fachleuten und Laien besichtigte am 16. Dezember die 91 eingegangenen Arbeiten im Glienicker  „Sandkrug“ und bestimmte die Gewinner. In der Schule an der Speestraße (Gollanczstraße) gab es eine Aus­stellung der verschiedenen Entwürfe, und diese hatte au­ßeror­dentlich viele Besucher.

Aber nicht die Entwürfe der Gewinner wurden angekauft, sondern u. a. der Entwurf der Brüder Johannes und Walter Krüger, der aber erst nach einer Verzögerung durch die vom Oberkirchenrat verhängte Bausperrfrist in die Tat umgesetzt werden konnte. 1934 wurden die Pläne wieder aufgegriffen, und im „Frohnauer Kirchenblatt“ 1/1934 ist sogar davon die Rede, dass es geschah, um in „Gehorsam an die Aufforderung unseres Führers“ zu arbeitsbeschaffenden Maßnahmen zu grei­fen.

Kuhls immer deutlicher werdende politische Ausrichtung stieß bei einem Teil der Kirchengemeinde auf Widerstand. Der Frohnauer Pfarrer war schon am 13. Januar 1933, also noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutsch­land, der NSDAP beigetreten. Außerdem wurde er Mitglied der SA und des NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps) und fungierte als „Sturmsippenwart“ (keine offizielle Bezeich­nung) und als Beratungsleiter für die SA-Standarte 28. Im Üb­rigen beteiligte er sich als Mitglied der Deutschen Christen (DC) am „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdi­schen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“.

Inzwischen war die Bekenntnisgemeinde Frohnau/Glienicke entstanden. Doch nicht nur deren Mitglieder, sondern auch die „Deutschen Christen“ unterschrieben schließlich einen Brief an das Konsistorium mit der Bitte um die Ersetzung ihres Pfarrers durch den Pfarrer des Invalidenhauses Hermann Tönjes. Man warf Kuhl ein allzu starkes Engagement außerhalb der Gemeinde und Lieblosigkeit bei der Ausübung seiner Amtspflichten vor (und nannte ihn spöttisch „Kuhl aus Suhl“). Daraufhin entschied das Konsistorium: „Vom 23. 2. 1935 an beurlauben wir Lic. Dr. Kuhl mit Rücksicht auf seine dem Oberkirchenrat bekannte Tätigkeit beim (vorläufigen) Ausschuss der Berliner Stadtsynode sowie beim Verband der evangelischen Kirchengemeinden im Bistum Berlin.“ Am 1. Juni 1936 gab Kuhl sein Frohnauer Amt endgültig auf und erhielt eine Pfarrstelle an der Petri-Kirche im Kirchenkreis Cölln-Stadt.

Im Jahre 1939 habilitierte er sich an der Berliner Universität mit der Schrift „Älteres Volksgut im Buche Hesekiel“. Im glei­chen Jahr wurde er zum Wehrdienst eingezogen, den er als Bataillons-Kommandeur ableistete. Er geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1948 entlassen wurde. Nach sei­ner Rückkehr nach Berlin wurde er am 15. Dezember 1948 auf eigenen Antrag aus dem Dienst der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg verabschiedet, um nach Nordkirchen in Westfalen zu gehen, wo er  ab 1. April 1949 einen Be­schäftigungsauftrag in der Kirchengemeinde Lüdinghausen er­hielt. Am 10. Juli des Jahres wählte man ihn in Nordkirchen zum Pfarrer. Diese Pfarrstelle hatte er bis 1956 inne. Danach wurde er Dozent an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Göttingen. Nach seiner Emeritierung im Mai 1957 zog er nach Kassel. In seinen letzten Lebensjahren ver­fasste er verschiedene Beiträge über das Alte Testament und die Propheten für das Handwörterbuch „Die Religion in Geschichte und Gegenwart“. Er starb am 13. März 1959 in Kassel.