„Ossi”, der Frohnauer Husar
Am 30. Januar 1959 würdigte der „Nord-Berliner” einen Menschen, der von seinen Bekannten liebevoll „Ossi” genannt wurde und der drei Tage später, also am 2. Februar, seinen 70. Geburtstag feiern sollte. „Ossi” hieß eigentlich Oskar Kott und wohnte seit 1927 in der Straße Am Ausblick. Er war seinerzeit offenbar ein weithin bekannter Frohnauer Reiter, doch fragt man heute in Reiterkreisen nach ihm, so bekommt man meist ein ratloses Schulterzucken zur Antwort. Nicht einmal Harald Geisler kann mit dem Namen Oskar Kott beziehungsweise „Ossi” etwas anfangen, obwohl der bei Großvater Albert und Vater Harry Geisler in der Reitschule gearbeitet hat.
„Ossi” war Renn- und Turnierreiter. Sein Vater trainierte in Karlshorst Hindernispferde. Vom ihm lernte Oskar ebenso wie seine Brüder das Reiten „von Kindesbeinen an”, wie der Nord-Berliner schrieb. Auf der Grunewald-Rennbahn verunglückte er schwer, was ihm die Rennreiterei aber nicht verleidete, und das, obwohl seine beiden Brüder bei Reitunfällen ums Leben gekommen waren.
Während seiner Militärdienst bei den 1. Leibhusaren in Danzig-Langfuhr betreute er unter anderem die Rennpferde von Kronprinz Wilhelm, der dieses Regiment seit 1911 kommandierte. Nach Abschluss seiner Militärzeit wurde er Stalljockey bei Rittmeister Freiherr von Zobeltitz in Hoppegarten. Als der Polosport in den zwanziger Jahren wieder nach Frohnau zurückkehrte, betreute Oskar Kott die hiesigen Polopferde, aber auch die Springpferde des bekannten Turnierreiters Oberleutnant Richard Sahla. Von Sahla ist bekannt, dass es ihm gelang, 1933 in Rom mit der deutschen Reiterequipe die begehrte Coppa d’Oro den Italienern quasi vor der Nase wegzuschnappen. Oskar Kott reiste zu Turnieren in viele europäische Länder, darunter mit fünf Polopferden zu den internationalen Polospielen auf den Brioni-Inseln (Brijuni), die damals zu Italien gehörten. (Heute sind sie ein Teil Kroatiens.)
Als Soldat im Zweiten Weltkrieg geriet Oskar Kott in Gefangenschaft. Nach seiner Rückkehr nach Frohnau fand er hier wieder einen Arbeitsplatz, und zwar als Stallmeister in der Frohnauer Reitschule, die inzwischen von Albert Geislers Sohn Harry geleitet wurde. Dort blieb er bis kurz vor seinem 70. Geburtstag. „Viele Reitturniere wären ohne ihn nicht denkbar gewesen”, schrieb der „Nord-Berliner” in seiner Würdigung. Außerdem bescheinigte ihm das Blatt, dass er „auch heute noch im Sattel wie ein Junger die Hürden nimmt.”
Heute ist Oskar Kott weithin unbekannt, es gibt aber zumindest einen Frohnauer, der sich an den ehemaligen Husaren erinnern kann. Es ist dies Peter Göbel, der seit 1949 in Frohnau wohnt. In das Haus der Familie Göbel waren Franzosen einquartiert worden, was in der Gartenstadt nach dem Krieg häufig geschah. Mit ihnen freundete sich der junge Mann an und erhielt dadurch die Gelegenheit, in den französischen Reitclub vom Poloplatz (Club Hippique Français) einzutreten, der ab 1949 auch deutsche Mitglieder aufnahm. Hier begann Göbel seine Reiterkarriere, die ihm einige Jahre später besonderes Erlebnis bescherte. Als 1957 bei Dreharbeiten zum Film „Der tolle Bomberg” ein Komparse ausfiel, bot man Peter Göbel an, dessen Rolle zu übernehmen und bei einem Reiterkunststück den bekannten Schauspieler Hans Albers zu doubeln. Was dem jungen Mann umso mehr gefiel, als er für seinen Einsatz sage und schreibe 100 Deutsche Mark erhielt – ein Vermögen für damalige Verhältnisse.
Ein kaum weniger bedeutendes Ereignis war seine Begegnung mit Oskar Kott, dem kleinen, drahtigen und lebenssprühenden Mann, der sich sein Leben ohne Pferde nicht vorstellen konnte. „Ossi” erzählte dem jungen Pferdeliebhaber aus seinem Leben, von seinen Rennen und auch von der Zeit, als er noch im Regiment der Leibhusaren in Danzig-Langfuhr diente und die Pferde des Kronprinzen betreute.