Werner Frese, ein sportlicher Frohnauer mit sieben Berufen
Wie die Lokalpresse kürzlich berichtete, wurde in der Invalidensiedlung mit Hilfe des Senders RBB, einer ganzen Reihe von Sponsoren und vielen freiwilligen Helfern ein kleines Wunder vollbracht. Die Turnhalle im Wäldchen der Siedlung wurde aus ihrem unfreiwilligen Dornröschenschlaf geweckt und steht nun in neuer Schönheit den Behinderten-Sport-Freunden Frohnau (BSF) wieder zur Verfügung. Doch nicht nur das. Sie heißt jetzt nicht mehr einfach Turnhalle, sondern Werner-Frese-Turnhalle.
Werner Frese war Ehrenpräsident des Behinderten-Sportverbandes Berlin und hatte für seinen jahrzehntelangen Einsatz im Behindertensport das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Unter seinen vielen Auszeichnungen und Ehrungen war übrigens auch die Humboldtplakette des Bezirksamtes Reinickendorf. Interessant ist, dass dieser verdienstvolle Mann sieben Berufe gelernt und ausgeübt hat.
Werner Frese wurde am 22. Juli 1926 in Berlin-Mitte geboren. Aufgewachsen ist er im Invalidenhaus an der Scharnhorststraße. Sein Vater war als Blinder aus dem ersten Weltkrieg heimgekehrt, und so wurden er und seine Familie in der Friderizianischen Institution untergebracht. Als das Invalidenhaus im Jahre 1938 für die Erweiterung der Militärärztlichen Akademie herhalten musste und die Insassen nach Frohnau umzogen, war auch die Familie Frese dabei, die damit zu den ersten Bewohnern der Invalidensiedlung gehörte.
Werner Frese wurde also schon von Jugend auf mit den Problemen der Kriegsbeschädigten konfrontiert. Und so ist es kein Wunder, dass er 1954 zu den Gründern des Vereins der „Versehrten-Sport-Freunde Frohnau” gehörte, der später, als nur noch wenige Kriegsversehrte im Verein waren, den Namen „Behinderten-Sport-Freunde Frohnau” erhielt.
Auf sportlichem Gebiet war Werner Frese schon von Jugend auf aktiv. Mit neun Jahren war er bereits Riegenführer im Turnverein Friesen, mit zehn Jahren spielte er im Fußballverein Hellas 04 in der Oberliga, mit elf fuhr er im Kanuclub Wander-Paddler-Havel e.V. (WPH) Einer-Regatten, mit 13 wurde er Berliner Jugendvizemeister in der Frohnauer Tennisvereinigung, ebenfalls mit 13 spielte er in der obersten Klasse im Tischtennisverein Hohen Neuendorf. Im Jahre 1942 wurde er Mitglied der Handballauswahl im Kreis Niederbarnim und im gleichen Jahr Mitglied der Leichtathletikgruppe der Heinkel-Werke Oranienburg.
Letzteres weist bereits auf Freses ersten Beruf hin. Nachdem er eine Industriekaufmannslehre absolviert hatte, wurde er kaufmännischer Revisor bei den Oranienburger Heinkel-Flugzeugwerken. Doch damit war bald Schluss; er wurde Soldat und musste ins Feld. Als der Krieg zu Ende war, wurde das Oranienburger Werk auf Befehl der sowjetischen Militäradministration demontiert, und Werner Frese musste sich eine neue Beschäftigung suchen. Er fand seinen zweiten Beruf nach einer entsprechenden Umschulung als Dachdecker.
Nach einiger Zeit sagte er der Dachdeckerei Ade und wurde Artist. Genauer gesagt, er wurde Artist, Jongleur und Kaskadeur – Berufe drei bis fünf. Nach den jeweiligen Ausbildungen in einer Berliner Artistenschule, die zusammen drei Jahre in Anspruch nahmen, trat er im In- und Ausland auf. Das Wort Kaskadeur hängt mit Kaskade zusammen, womit in der Artistensprache ein wagemutiger Sprung bezeichnet wird. Eins seiner Kunststücke war, dass er einen Salto mit einem Tablett voller Becher in der Hand vollführte.
Nach 16 Jahren wechselte er abermals seinen Beruf und wurde – Beruf Nummer sechs – Jugendpfleger. Als solcher arbeitete er im Tempelhofer Haus der Jugend als Heimleiter. Seinen siebenten und letzten Beruf vor dem Beginn des Rentenalters übte Werner Frese bei der Gasag aus. Er begann als Abrechnungskassierer und brachte es bis zum stellvertretenden Abteilungsleiter in der Rechtsabteilung.
Natürlich ließ ihn sein ganzes Leben der Sport nicht los. An und für sich könnte man diesen Teil seiner zahlreichen – ehrenamtlichen – Aktivitäten als seinen achten Beruf bezeichnen. Unermüdlich trainierte er Jugendliche, organisierte Sportfeste, Fußballturniere und Jugendfahrten. Außerdem übte er als Fremdreferent beim Deutschen Ärztebund und beim Senator für Jugend und Sport beratende Tätigkeiten aus.
Doch sein besonderes Engagement galt dem Behindertensport. Unter anderem war er 40 Jahre im Vorstand der Frohnauer Behindertensportfreunde und 34 Jahre im Vorstand des Behinderten-Sportverbands Berlin e.V. Er war Sportwart, Jugendwart und – mit einer Lizenz des Deutschen Behindertensportverbands – Landeslehrwart. Und er erhielt zwei Forschungsaufträge der Freien Universität im Oskar-Helene-Heim, wo er die Möglichkeiten erforschte, mit Skoliose-Patienten (Menschen mit Rückratverkrümmungen) nach ihrer Operation sportliche Übungen durchzuführen.
Nun könnte man meinen, bei einem derart ausgefüllten Leben sei keine Zeit mehr für Hobbys. Im Grunde genommen stimmt das auch. Doch ab und zu nahm sich Werner Frese einfach die Zeit für Dinge, die er liebte, ging ins Theater, machte Kreuzfahrten und spielte Billard. Außerdem nahm er hin und wieder die Gelegenheit wahr, seine aus der Artistenzeit stammenden Fertigkeiten vorzuführen und etwa beim 40jährigen Vereinsjubiläum des BSF seine Zuschauer durch seine Geschicklichkeit als Jongleur in Erstaunen zu versetzen.
Am 29. November 2008 verstarb Frese nach schwerer Krankheit, wie BSB in einer Traueranzeige mitteilte. „Über 50 Jahre war Werner Frese für den Berliner Behindertensport höchst engagiert im Einsatz”, hieß es da weiter. Was lag da näher, als den verdienten Frohnauer dadurch zu ehren, dass man der Turnhalle in der Invalidensiedlung nach ihrer Instandsetzung seinen Namen gab?