Arthur Wehnelt, Frohnauer Professor und Erfinder

Arthur Wehnelt ist in der Wissenschaftswelt als der Erfinder des Wehnelt-Unterbrechers (1899), des Wehnelt-Zylinders(1902) und der Wehnelt-Kathode (1905) bekannt. Laien werden diese Namen nicht viel sagen, aber die Fachwelt weiß, dass mit diesen Erfindungen auf dem Gebiet der Röntgentechnik und des Fernsehens Pionierarbeit geleistet wurde. Der Wehnelt-Unterbrecher ermöglichte die Effektivierung der Röntgenapparate und so genannte Schnellaufnahmen, während durch Wehnelt-Zylinder und Wehnelt-Kathode die für das Fernsehen zum großen Teil noch heute verwendete Braunsche Röhre (Kathodenstrahlröhre) entscheidend verbessert werden konnte.

Arthur Wehnelt als Frohnauer Professor zu bezeichnen, ist etwas gewagt, denn ehe er im Horandweg Nr. 13 wohnte, verging eine ganze Zeit. Nur seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Frohnau. Da waren seine Erfindungen längst gemacht und weltweit bekannt. Geboren wurde Wehnelt am 4. April 1871 als Sohn deutscher Eltern in Rio de Janeiro. Sein Vater, Schiffsbauingenieur und Mitbegründer des späteren Brasilianischen Lloyd, erkrankte an Gelbfieber und wollte sich in Hamburg kurieren lassen. So kehrte die Familie nach Deutschland zurück, als Wehnelt zwei Jahre alt war. Doch der Vater konnte nicht gerettet werden.

Die Familie blieb daraufhin in Deutschland. Arthur Wehnelts Oberschulbildung begann am Luisenstädtischen Gymnasium in Berlin. Als er dort zweimal in der Tertia (vierte und fünfte Klasse) sitzenblieb, schickte man ihn nach Landsberg an der Warthe. Dort lebte er in Pension und war am Realgymnasium der Stadt offenbar erfolgreicher. Im Jahre 1892 bestand er die Reifeprüfung. Es folgten eine Militärzeit in Brandenburg und ein Studium in Berlin und Erlangen. In Berlin besuchte er zunächst die Technische Hochschule, wechselte aber bald zur Kaiser-Wilhelm-Universität. Seine Dissertation, mit der er 1898 in Erlangen „summa cum laude“ promovierte, befasste sich mit „Studien über den dunklen Kathodenraum“.

Nach kurzer Assistententätigkeit an der Technischen Universität Berlin kehrte Wehnelt nach Erlangen zurück, wo er 1901 habilitierte. Sein Thema war „Strom- und Spannungsmessung an Kathoden in Entladungsröhren“. Zur Erfindung der Oxydkathode (später auch Wehnelt-Kathode genannt) schreibt der Professor, er sei durch einen Zufall darauf gekommen. Sein alter Lehrer Wiedemann pflegte im Institut Schmalzstullen zu essen und bekam davon fettige Finger. Mit denen fasste er die von ihm verwendeten blanken Platindrähte an, die später in luftleer gepumpte Röhren eingeschmolzen wurden. Nur an den fettigen Drähten gab es die erwarteten Elektronenemissionen, an den blanken dagegen nicht. Wehnelt untersuchte die Bestandteile des Schmalzes und fand darin Calciumoxyd und Bariumoxyd. Damit war der Weg frei für die Herstellung einer effektiven Oxydkathode. Die Drähte wurden von nun an mit den beiden Oxyden überzogen.

Im Oktober 1906 erhielt Wehnelt eine ordentliche Professur an der Berliner Universität, der er bis zum Schluss treu blieb. Im Jahre 1933 verlieh ihm die Göttinger Georg-August-Universität „für seine Verdienste um die Weiterentwicklung des elektrischen Nachrichtendienstes“ die Gauß-Weber-Ge­denk­münze. Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Weber hatten 1833 die Pionierleistung vollbracht, die Sternwarte und das Physikalische Institut der Universität Göttingen durch einen elektromagnetischen Telegrafen zu verbinden.

1934 wurde Wehnelt als Nachfolger des Nobelpreisträgers Walther Nernst Direktor des 1. Physikalischen Instituts der Universität Berlin. Von Hitler erhielt Wehnelt 1940 die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft. Und auch mit zwei Kriegsverdienstkreuzen wurde Wehnelt vom Führerhauptquartier ausgezeichnet, 1941 mit dem Verdienstkreuz Zweiter Klasse und 1942 mit dem Erster Klasse, denn für die Rüstung hatte Wehnelts Arbeit große Bedeutung. Im NS-Parteiblatt, dem „Völkischen Beobachter“, fand sich eine Würdigung des Professors als Erfinder der Gasentladungslampen beziehungsweise der Neonröhren.

Arthur Wehnelt bezeichnet sich als bescheidenen Menschen, da er sich seine Erfindungen nie habe patentieren lassen. Christoph Wehnelt zitiert in seinem Buch „Der Preussen Clan“ seinen Großvater mit folgenden Sätzen: „Meine Meinung ist, ich werde als Professor von der Öffentlichkeit, vom Staat bezahlt. Also gehören meine Erfindungen der Öffentlichkeit.“ Andere sehen den Frohnauer Professor als weniger selbstlosen Menschen. Wehnelt sei schon früh in die NSDAP eingetreten. Hans Kopfermann schreibt in seiner Wissenschaftsstudie „Vergangenheit im Blickfeld eines Physikers“, dass, wie aus der „Physikalischen Zeitschrift“ ersichtlich, die Titel der Lehrveranstaltungen ab 1935 eine „Militarisierung“ der Universität Berlin bezeugten. Dahinter steckten laut Kopfermann hauptsächlich Karl Becker, Erich Schumann und Arthur Wehnelt. Karl Becker war Wehrwissenschaftler und einer der Gründer der Heeresversuchsstelle in Peenemünde. Erich Schumann, der Sohn eines Gardetrompeters, war nicht nur Musikwissenschaftler, sondern auch Sprengstoffphysiker.

Seine NS-Auszeichnungen hat Wehnelt wohl auch deswegen erhalten, weil er, wie Helmut Maier in seinem Aufsatz „ ‚Stiefkind’ oder ‚Hätschelkind’? Rüstungsforschung und Mobilisierung der Wissenschaften bis 1945“ schreibt, unter Nernst die Aufgabe „Drahtlose Verständigung in Schützengräben“ übernommen hatte. Meier meint, dass es für Professoren im Staatsdienst als patriotische Pflicht angesehen wurde, die Wissenschaft in den Dienst der Industrie und des Militärs zu stellen. Jürgen Renn vom Max-Planck-Institut sagte in seiner Rede zur Enthüllung einer Gedenktafel am Gebäude des ARD-Hauptstadtstudios Berlin am 16. April 1999 zunächst: „Mit dem Institut (für Physik – Verf.) [...] verbindet sich eine bis zum Beginn der NS-Herrschaft ununterbrochene Kette berühmter Namen, zu denen u.a. die von Wilhelm Wien, Max Planck, Peter Pringsheim, Walther Nernst, Max von Laue, Albert Einstein, Gustav Hertz, James Franck, Erwin Schrödinger und Arthur Wehnelt gehören.“ Weiter unten heißt es dann: „Während Einstein, Franck, Pringsheim und andere mit Beginn des NS-Regimes emigrieren mussten, [...], sahen Physiker wie Stark, Lenard und Wehnelt die Chance für einen Karrieresprung und Machtgewinn gekommen.“

Wahrscheinlich war Wehnelt aber eher ein Wissenschaftler, der mehr an seinen Forschungen als an deren Auswirkungen interessiert war. Nicht zufällig richtete er sich in seinen jeweiligen Wohnungen – auch im Horandweg – Privatlaboratorien ein, um seiner Passion ungestört nachgehen zu können. Man erinnert sich seiner daher zuallererst als großen Wissenschaftler und Erfinder. Am 15. Februar 1944 starb er an einem Krebsleiden. Bestattet ist er nicht in Frohnau, sondern auf dem Luisenfriedhof II in Charlottenburg. In Siemensstadt heißt schon seit 1931 (!) eine Straße ihm zu Ehren Wehneltsteig.