Frühe Frohnauer Fabrikanten

In der ersten Frohnauer Ansiedlerliste, die Berliner Terrain-Centrale herausgab, gab es hinter dem Namen der Haushaltsvor­stände dreizehn mal als Berufsbezeichnung „Fabrikbesitzer" beziehungsweise „Fabrikant". Wenn man bedenkt, dass auf dieser Liste 172 Personen verzeichnet waren, so ist das ein bemerkenswerter Prozentsatz, nämlich knapp 7,6 Prozent. Ungefähr jeder dreizehnte Haushaltsvorstand in Frohnau war also Fabrikant.

Der bekannteste unter den frühen Frohnauer Fabrikbesitzern ist wohl Hugo Corts, und das nicht so sehr, weil er ein Brotfabrikant war, auf dessen Liefer­wagen zu lesen war „Allerorts Brot von Corts", sondern eher weil die evan­gelische Schule im dritten Jahr ihres Bestehens, also im Jahre 1950, in die Villa einzog, die sich Corts schon 1910 am Sigismundkorso Ecke An der Bu­che im ländlich-modernen Stil hatte bauen lassen. Damit gilt sie als Zeug­nis der „Frühen Moderne". Architekt war der aus Schlesien stammende Ber­liner Architekt Leo Nachtlicht.

Hugo Corts starb 1938 und ist auf dem Frohnauer Friedhof an der Hainbuchenstraße bestattet. Sein Grab, das bis heute sorgfältig gepflegt wird, trägt die Inschrift: Lerne leiden ohne zu klagen. Auf der rechten Seite des Familiengrabs liegt ein kleiner Gedenkstein für Ingeborg Joseph, ein Opfer des Terrorangriffs auf das World Trade Center vom 11. September 2002.

Zwei andere Fabrikbesitzer seien hier noch genannt, deren Gräber sich auf dem Frohnauer Friedhof zu finden sind, Joseph Plechati und Johann Weiss. Von ihnen hat Josef Plechati sicher das prächtigste Grabmal. Es ist ganz in der Nähe der Friedhofskapelle und gehört zu den ältesten Grab­stätten, denn Plechati starb schon im Juni 1921. Er besaß in Pan­kow eine Glühlampenfabrik (gegründet 1903), und seine Erzeug­nisse haben bis heute zumindest Sammlerwert. So kann man im Internet allerlei Angebote von Kleinlampen und sogar Plechati-Luftschutzlampen finden. Anscheinend lief das Geschäft gut, denn Plechati eröffnete 1910 eine Zweigniederlassung in Kiel und sogar noch kurz vor dem 1. Weltkrieg eine weitere Zweignieder­lassung in Aussig (Usti nad Labem) in der heutigen Tschechischen Republik.

Wer damals eine Fabrik aufbaute, tat dies häufig auf der Grundlage eigener Erfindungen. In der Pankower „Spezialfabrik" wurden Kohlefaden- und Metallfadenlampen hergestellt. Plechatis Patent (D.R.P. 212562 vom 26. November 1908) lief darauf hinaus, dass die Löt­stellen des für die Stromzuführung verwendeten Nickeleisendrahtes im Sandstrahlgebläse vorbehandelt wurden, wodurch sich der Draht problemlos luftdicht ins Lampenglas ein­schmelzen ließ.

Nach dem Tode von Josef Plechati übernahm sein Sohn Herbert die Fabrik. Herbert Plechati wird noch heute in den Annalen einer Pankower Schule erwähnt, denn war einer der ersten fünf Abiturienten der heutigen Rosa-Luxemburg-Oberschule. Diese Schule war 1907 als Re­algymnasium Pankow gegründet worden. Sie war die erste Oberschule des damals noch nicht zu Berlin gehörenden Ortes.

Anfang der zwanziger Jahre zogen Josef Plechatis Hinterbliebene, seine Witwe Hedwig und sein Sohn Herbert nach Frohnau, wo sie ein schon fast riesiges Grundstück am Fürstendamm kauften. Auf dem ungefähr 7000 Quadratmetern großen Gelände wurden eine Villa und ein Gara­genhaus gebaut. Allerdings blieben die Plechatis nur einige Jahre in Frohnau, dann, im Jahre 1929, verkauften sie ihren hiesigen Besitz an den Buchdrucker Johannes Grüner. Man trennte das Areal um das Garagenhaus ab und baute es zu einem Wohnhaus um, in das die Familie Ehrhardt zog. Der Sohn der Familie, Dr. Fritz Ehr­hardt, ist vielen Gartenstädtern als Chronist der Freiwilligen Feuerwehr Frohnau bekannt.

Heute sucht man das Plechati-Haus am Fürstendann 10-11 vergeblich. Mit dem Tode des Buchdruckers wur­de die Villa abgerissen und das Grundstück mit sechs Doppelhäusern bebaut.

Johann Weiss wohnte im Franziskanerweg, dem späteren Lu­dolfingerweg, und war im Berliner Adressbuch bis 1935 als Ingenieur eingetragen, ab 1936 jedoch als Fabri­kant. Die Produkte, die ihn berühmt machten, waren Etikettiermaschi­nen. Unter der Be­zeichnung JOWE werden sie noch heute hergestellt, und zwar in Leopoldshö­he bei Bielefeld. Die ur­sprüngliche Fabrik war je­doch in der Rei­nickendorfer Flotten­straße. In der ent­sprechenden Werbung wurde dar­auf hinge­wiesen, das die Fabrik schon über 60 Jahre bestehe und Ver­tretungen und Kun­dendienst in aller Welt habe.

Johann Weiss starb 1955, aber seine Frau Ursula führte den Betrieb weiter. Ihr zur Seite stand der Prokurist Drago Derzic, der aus Jugoslawien eingewandert war. Im Jahre 1986 verkauften die beiden aus Altersgründen die Fabrik.

Ursula Weiss starb im Jahre 2004, Drago Derzic fünf Jahre später. Auf dem Frohnauer Friedhof ruhen das Ehepaar Weiss und der Prokurist Derzic zusammen in einer Grabstätte.