Eugen Stolzer, ein unbekannter Mitgestalter des frühen Frohnau

Wenn davon die Rede ist, wer die Gartenstadt Frohnau geplant hat, dann fallen die Namen Joseph Brix und Felix Genzmer oder auch Ludwig Lesser, der die Parks und Schmuckplätze entwarf. Seltener wird der Architekt Heinrich Straumer genannt und eigentlich nie Eugen Stolzer. Dabei kann man sehr wohl sagen, dass Straumer das Bild des frühen Frohnau prägte, baute er doch circa dreißig Villen in der Gartenstadt, darunter im Auftrag der Berliner Terrain-Centrale schon 1910/11 die Musterhausgruppe in der Straße An der Buche.

Und wer war Eugen Stolzer? Er war von 1910 bis 1912 ein Mitarbeiter Heinrich Straumers, und als solcher hat er die Gartenstadt nicht nur mitgeplant sondern auch geholfen, die Planungen umzusetzen. Er stammt aus Ungarn, wo er am 12. Mai 1886 in der Stadt Györ (deutsch: Raab) geboren wurde. Schon früh kam er nach Deutschland und nahm als Achtzehnjähriger ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule München auf. Bevor er 1910 nach Berlin übersiedelte, war er ab 1908 in München und in Paris tätig und erhielt 1909 die ungarische Staatsmedaille für Architektur.

Sein Berliner Wohnsitz war in der Münchener Straße in Schöneberg, von wo er es nicht allzu weit zum Architekturbüro von Heinrich Straumer in der Schellingstraße hatte. Viel länger als mit Straumer arbeitete er jedoch mit Oskar Kaufmann zusammen, dessen offizieller Partner er 1916 wurde. Im gleichen Jahr promovierte er an der Technischen Hochschule in München.

Für die Pariser Ecole des Beaux-Arts hatte Stolzer 1909 ein Kurzstipendium erhalten. Seine dortigen Studien halfen ihm sicher zusammen mit seinem Architekturstudium sich auch als Filmarchitekt zu betätigen. So schuf er in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg Szenenbilder für allerlei Kriminalfilme wie „Mitternacht“, „Die Japanerin“, „Freie Liebe“ und „Das Raritätenkabinett“.

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten floh er wegen seiner jüdischen Herkunft in die Schweiz und kurz danach nach Palästina (Tel Aviv). Sein Partner Kaufmann, der im Übrigen auch aus Ungarn kam und als Jude geboren wurde, ging nach anfänglichem Zögern ebenfalls nach Tel Aviv, wo er ein neues Architekturbüro eröffnete und weiterhin mit Stolzer zusammenarbeitete. Kaufmann ist bekannt als Architekt des Berliner Hebbeltheaters und des Habimah-Theaters in Tel Aviv, das er zusammen mit Eugen Stolzer entwarf.

Mit 55 Jahren heiratete Eugen Stolzer eine 18 Jahre jüngere Architektin, und zwar die aus Litauen stammende Judith Segall, eine Jüdin, die er bereits 1934 in Tel Aviv kennengelernt hatte. Von Judith Segall gibt es eine Verbindung nach Frohnau, wenn auch nur eine schwache. Im Jahre 1929 war sie nämlich in das Berlin Architekturbüro von Leo Nachtlicht eingetreten, und der ist bekanntermaßen der Architekt der Villa Corts, die heute ein Teil der Frohnauer Evangelischen Schule ist. Allerdings wurde die Villa im Sigismundkorso schon im Jahre 1910 gebaut.

1957 kehrte Eugen Stolzer nach Deutschland zurück, ging nach München und machte eine Berlin- und schließlich eine Europareise, auf der er am 22. Dezember 1958 in Rom starb. Er hinterließ nicht nur im Verein mit Heinrich Straumer zahlreiche Bauten in Frohnau. Er erhielt auch in der kurzen Zeit, in der er in Frohnau tätig war, den zweiten Preis beim „Wettbewerb für Straßenschilder und -masten für die Gartenstadt Frohnau“. Ob jedoch seine Entwürfe in Frohnau zum Zuge kamen, lässt sich den Unterlagen nicht entnehmen.