Der Fernmeldeturm, erst ungeliebt und dann betrauert

Als der Frohnauer Fernmeldeturm am 8. Februar um 13.10 Uhr mit einem gewaltigen Knall vom Horizont verschwand, wurde es manchen Zuschauern des Spekta­kels weh ums Herz. Schließlich war der Turm Frohnaus Erken­nungszeichen, das die heimkeh­renden Frohnauer und andere Berliner schon von fern willkom­men hieß. Das ist nun vorbei. Und den kleinen Bruder sieht man natürlich bei weitem nicht so gut.

Damals, als der „Fernsprechre­laisturm“ gebaut wurde, also in den Jahren 1977 bis 1979, waren die Frohnauer allerdings wenig begeistert. Sie sahen ein, dass er notwendig war, wollte man si­chere und ausreichende Fernsprech­verbindungen nach Westdeutsch­land haben. Der kleine Turm, dessen Bau bereits 1970 begonnen hatte und der 1973 in Betrieb ging, war mit seinen 117 Metern Höhe seiner Aufgabe bald nicht mehr gewachsen, so sehr war die Anzahl der Telefongespräche zwischen Westberlin und Westdeutschland gestiegen. Ein neuer und erheblich größerer Turm musste her, das war allen klar. Aber musste es ausgerechnet ein Stahlgittermast sein?

Nein, sagte der Grundbesitzer-Verein schon am 23. Februar 1976 in einem Protestschreiben an das Bundespostministerium. Viel besser sei ein Betonturm. Der würde weniger Platz wegnehmen, weil er keine Abspannseile oder Pardunen brauche. Das meinte jedenfalls der Grundbesitzer-Verein. Außer­dem hatten die Frohnauer errechnet, dass der Bau eines Betonturms zwar etwas teurer werden, aber weniger Unterhalt kosten würde. Schließlich erfordere ein Gittermast mit seinen Abspannungen eine aufwendigere Pflege als ein Turm aus Stahlbeton. Außerdem verwies man darauf, dass andere Städte Betontürme erhalten hätten und dass es solche Türme sogar in freiem Gelände gebe.

Der Platz, der für den Bau vorgesehen war, sei deshalb so wertvoll, weil er zu einem Waldgebiet gehöre. Jeder Quadratmeter Wald sei für die durch die Mauer eingesperrten West-Berliner von emi­nentem Wert, der sich in Zahlen gar nicht ausdrücken lasse. Man denke da nicht in erster Linie an die Frohnauer. Die hätten schließlich ihre Gärten zur Erholung. Vielmehr müsse man die Interessen der Weddinger berücksichtigen, denn denen würde der Frohnauer Wald fehlen. Und wie seien die Pläne der Bundespost mit dem Versprechen der Bundesregierung zu vereinbaren, die Lebensqualität in Deutschland zu verbessern? Listig fügte man hinzu: Bonn wolle mit seinen Plänen doch nicht etwa demonstrieren, dass Westberlin nach den Bestimmungen des Viermächteabkommens nicht vom Bund regiert werden darf?

So ermahnte der Grundbesitzer-Verein das Bundespostministerium, die Pläne noch einmal zu über­denken und nicht wegen ein paar Millionen die Glaubwürdigkeit Bonns aufs Spiel zu setzen. Ab­schließend erbat er genaue Informationen, um „der beunruhigten Bevölkerung statt der Gerüchte sachliche Auskünfte“ geben zu können.

Die Antwort ließ etwa einen Monat auf sich warten. Am 26. März 1976 schrieb ein Herr (oder eine Dame?) mit Namen Schmaus sachliche und beruhigende Worte des Ministeriums. Man erklärte, warum ein Gittermast etwa sieben Millionen DM billiger sei als ein Betonturm und dass in Gartow (Niedersachsen) ein gleicher Mast gebaut werden solle. An List stand das Ministerium dem Grundbesitzer-Verein nicht nach: Es sei doch besser, Geld zu sparen, als wegen hoher Baukosten die Gebühren erhöhen zu müs­sen.

Im Übrigen könne keine Rede davon sein, dass große Teile eines Erholungsgebietes verloren gehen würden. Schon gar nicht würde man Bäume abholzen. Es müssten nur Teile des Postgrundstücks eingezäunt werden, und das zum Schutze der Bevölkerung. Es müsse auch keine Minderung an Le­bensqualität befürchtet werden. Im Gegenteil – die werde doch durch die Erhöhung der Kommunikati­onsmöglichkeiten zwischen Berlin und der Bundesrepublik und auch der übrigen Welt erhöht.

Wie die Geschichte ausging, wissen wir längst. Das Bundespostministerium setzte sich durch, und die Frohnauer erhielten einen Stahlgittermast. Dass sie sich an ihn gewöhnten und ihn sogar lieb gewan­nen, zeigte sich spätestens, als er nach dreißig Jahren gewaltsam aus dem Leben schied.